Der "Feldzug gegen den Terrorismus":
"Nichts wird sein, wie es war!"(Bush) - Damit alles so bleibt, wie es ist!

Diskussionsveranstaltung mit Freerk Huisken, am 29.10.01, in Bonn.
(Der Text stellt die Abschrift des Vortrags da, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist.)

Teil A:
I.
Zunächst einmal bedanke ich mich für die Einladung. Ich muss eine kurze Erklärung vorwegschicken: Ich bin ursprünglich im Sommer des letzten Jahres eingeladen worden, eine Veranstaltung zum Thema Rechtsextremismus und die staatliche Rechtsextremismus-Kampagne zu machen, da ich zu diesem Thema ein Buch geschrieben habe.
Opportunistisch wie ich nun mal veranlagt bin, habe ich mich dem Paradigmenwechsel - wie es heißt - der Innen- und Außenpolitik der Staaten der Welt angepasst, und gemeint, ich sollte das Thema ändern. Ich habe mir die zentrale These von Bush vorgenommen, der kurz nach dem Anschlag auf die USA angekündigt hatte: "Nichts wird so bleiben, wie es einmal war". Nach meiner Befassung mit dem Thema dachte ich mir, da muss man ergänzen: Damit alles so bleibt, wie es ist!
Dies wird das Motto meines Vortrages sein. Wenn Zeit und Gelegenheit ist, werde ich dieses widersprüchliche Motto auch noch an einigen Punkten konkretisieren, die die nationale Innenpolitik betreffen und auch auf die Frage eingehen, wie dort der Rechtsextremismus und die sogenannte Ausländerfrage vorkommen.

II.
Ich habe am 30. 09. 01 in der SZ einen Artikel gefunden, der sich mit der Frage befasst, wie man Kindern in der Schule diesen Anschlag erklären kann. Der Artikel hat die Überschrift "Erklären, was niemand erklären kann"; und der ganze Artikel stellt bis auf eine einzige Ausnahme Schulen vor, in denen irgendetwas gemacht wird. Man weiß nicht was. Es gibt eine, nur eine einzige Ausnahme, die ich kurz zitieren will. Es heiß dort: "Auf die Frage etwa, warum machen Menschen so etwas, benutzt man in der Grundschule an der Simmernstaße die Giraffe- und Wolf-Taktik. Die Terroristen sind Wolfstypen, erklärt Gudrun Hintermeyer den Kindern. Im Vergleich zur klugen Giraffe, die mit ihrem langen Hals über ihren eigenen Schatten hinaus gucken kann, ist der Wolftyp ein richtiger Wadenbeißer. Mit seinem kurzen Hals sieht er nicht weit sondern nur sich selbst und wenn er glaubt, dass ihm einer was tun will, in dem Fall die USA, also die Giraffe, beißt er gleich zu." Das ist die "Giraffe- und Wolf-Taktik" ,mit der die Kinder eingestimmt werden, oder mit der Kindern das erklärt werden soll, was - angeblich - nicht erklärt werden kann.
Vorweg, ehe ich mir diese pädagogische Tour ein bisschen vornehme: Es ist schon interessant, das Ganze unter dem Motto abzuhandeln "Erklären, was niemand erklären kann". Ich will mal großzügig über den logischen Unfug dieses Mottos hinwegsehen, der darin besteht, dass man eigentlich schon sehr viel über eine Sache wissen muss, wenn man zu dem begründeten Urteil kommen will, dass man sie nicht erklären kann. Das ist der logische Unfug an der Sache.
Was soll das Ganze? Warum wird Kindern mitgeteilt, dass sich so etwas jeder Erklärung entzieht. Die erste Antwort auf diese Frage lautet und da muss man eigentlich nicht viel zu sagen: Das ist die Aufforderung zu einer moralischen Parteinahme und zwar für die USA (die Giraffe), die über ihren eigenen Schatten springen kann, und eine Parteinahme gegen den Wolf, den Wadenbeißer, der immer dann zubeißt, wenn er glaubt, dass ihm einer was will. Das ist die ins Bild gesetzte moralische Sortierung nach Gut und Böse und über das Bild hinaus erfährt man eigentlich auch gar keine Begründung dieser moralischen Zuordnung. Parteinahme ist gefordert, für wen, das ist eindeutig; warum, das bleibt offen.
Da wird nicht gefragt, ob überhaupt und für wen - sondern für die USA hat man Partei zu ergreifen, weil eben die Giraffe in dem Fall der Inbegriff des vorausschauenden Guten ist und der wadenbeißende Wolf der Inbegriff des Bösen. Wichtig an solchen Beispielen ist, dass die Parteinahme begründungslos ist. Das passt zur moralischen Sortierung, denn wenn die eine Abteilung das Böse ist und die andere Abteilung das Gute, dann fallen Etikettierung, Urteil und Begründung in eins zusammen. Was tut der Mensch? Etwas Böses. Warum? Weil er halt böse ist. Das ist eine Tour, die es erübrigt, sich mit dem zu befassen, was da abgelaufen ist und noch immer abläuft und immer heftiger abläuft. Das ist mit dieser moralischen Einsortierung abgehakt. Das Verurteilen kommt ohne jegliches Beurteilen aus. Es ist noch schlimmer, wenn das ganze unter dem Motto steht "Erklären, was niemand erklären kann", dann ist das begründende Urteilen sogar eine verpönte Angelegenheit. Sie kennen alle den Übergang, der in der Presse in den ersten Wochen nach dem 11. 12. geschehen ist: "Wer erklärt, der rechtfertigt; wer etwas begreifen und verstehen will, hat Verständnis. Und das gehört sich nicht - in diesen Zeiten in denen bedingungslose Parteinahme für das Gute für die Zivilisation gefordert ist." Dass ist die Explizierung des Hinweises: "Verurteilen ohne Urteilen ist verlangt".
Diese moralische Parteinahme wird - und das ist wichtig - nicht nur von Kindern verlangt. Dass es sich eben nicht nur um eine mit Kindern veranstaltete Form der Verdummung handelt, weiß jeder von Ihnen, der die Zeitung einigermaßen liest. Das ist nicht nur eine Kindertour, sondern das ist hier die Erwachsenentour, mit der der gesamte Vorfall in der Öffentlichkeit von oben vorgegeben aufbereitet und uns mundgerecht vorgesetzt wird. In den Reden von Bush und Schröder ist es dasselbe. (Übrigens spiegelverkehrt von Bin Laden ebenso.) Wie Kindern, die nur in Kategorien wie Gut und Böse denken sollen, wird der "Erwachsenenwelt" die Sache präsentiert. Und wo sich Lehrer dagegen zu Wehr gesetzt haben, also gesagt haben "bei dieser Verdummung mache ich nicht mit, sondern ich untersuche das ganze mal" (vielleicht haben sie sogar umgekehrt Partei ergriffen) gab es in mehreren Fällen Abmahnungen und Disziplinarverfahren.
Diese Sichtweise ist also nicht nur ein Angebot an den Bürger gewesen, wie er die Sache vielleicht sehen könnte, wenn er keine besseres Urteil hat. Sondern es war eine Vorschrift. Da ist über die theoretische Parteinahme hinaus eine praktische Parteinahme mitgedacht gewesen - und die kann ja jeder an der Innenpolitik und an der Sicherheitspolitik ablesen, die z.Zt. auf uns zu kommt.

III.
Mein Vortrag ist der Versuch, gegen diese Vorschrift vorzugehen, gegen das durchgesetzte Verbot und gegen die moralische Ächtung des Erklärens dieser Sache. Ich will versuchen, dass was ich herausgefunden habe, hier vorzustellen und ich meine, dass es eine ganze Reihe von Sachen gibt, die dringend erklärt werden müssen. Die Widersprüche, die eine Erklärung, eine theoretische Befassung - zunächst ganz ohne jegliche Parteinahme - erforderlich machen, sind nämlich offenkundig. Vielleicht ergibt sich dann auch, dass sich eine Parteinahme überhaupt verbietet. Wer weiß das schon vorher, also bevor er seinen Kopf angestrengt hat? Aber genau das ist ja verboten. Und genau das sollte man nicht mitmachen.

Die Ungereimtheiten, die man findet, wenn man sich nicht direkt dieser Parteilichkeit anschließt, sind enorm. Ich nenne mal ein paar und werde dann versuchen, diese aufzuklären. Um gleich mit der moralischen Parteinahme anzufangen:

1. Ein Widerspruch zeigt sich darin, dass die US-amerikanische Regierung und die Nato-Staaten, die uns die Attentäter als die pure Verkörperung des Bösen, als politisch inhaltslos vorgestellt haben, selbst nicht an ihr Urteil glauben. Wenn sie daran glauben würden, dann wäre vollkommen unerfindlich, warum sie sehr gezielt nach mehreren Tagen gesagt haben, "Das war Bin Laden, denn der hat ja schon immer antiamerikanische Sprüche von sich gelassen, und den verdächtigen wir schon seit Jahren solcher Aktionen". Was heißt also hier "pur böse"? Da wird auf einen Feind der USA verwiesen, der seine politischen Gründe hat (worin auch immer die bestehen), solche Aktionen zu initiieren - wenn es denn stimmt, was die Geheimdienste da herausgefunden haben. Aber das kann und sollte ja nicht unsere Sorge sein.
Im übrigen ist dieser Befund dem Anschlag selber zu entnehmen. Es wird ja wohl kein Zufall gewesen sein, dass die Attentäter sich das WTC und das Pentagon, also die Zentren von US-Militärmacht und Weltmarkt, ausgesucht haben. Das ist der erste Widerspruch den es aufzuklären gilt: Einerseits sagt die politische Öffentlichkeit, "das war das Böse, da steckt kein politischer Wille dahinter", andererseits greifen die USA sehr geplant einen politischen Willen, einen Staat mit Waffen an, von dem sie sagen, das ist der Herbergsvater dieser Al Quaida. Beide werden als Hort des Antiamerikanismus identifiziert und mit einer politischen Feindschaftserklärung überzogen, die militärisch durchgesetzt wird. Das ist der erste Widerspruch. Wie klärt sich der auf?

2. Ein zweiter Widerspruch: Auf der einen Seite hat Bush mit dem Hinweis, "wer nicht für uns ist, ist gegen uns" - gerichtet an die Adresse von Staaten, von Bewegungen, von Organisationen - eigentlich eine Kriegsdrohung gegenüner der gesamten Staatenwelt ausgesprochen. Dem, der "nicht für uns ist", wird damit schon terroristischer Antiamerikanismus vorgeworfen, das gilt erst mal sehr prinzipiell für alle Staaten one Ausnahme. Auf der anderen Seite stellt man fest, dass im Augenblick ein Teil der Staaten, von denen Amerika selbst sagt, dass sie unter Umständen potentielle terroristische Staaten sind, von einer Reisediplomatie des Westens überzogen wird. Und zwar gerade mit dem Anliegen, sie sollten bitteschön alle in die antiterroristische Front herein. Iran, Libanon, Syrien, Ägypten, die arabischen Emirate usw. Pakistan an erster Stelle und da hat es ja auch geklappt. Was denn nun, werden sie als terroristische Schurkenstaaten verdächtigt, oder sind sie potentielle Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus? Wie klärt sich das auf?

3. Dritter Widerspruch: Die Ankündigung, "Nichts wird mehr so sein wie es war", mit der ich angefangen habe, bedarf selbst einer Aufklärung. Denn einerseits muß man die Ankündigung einer totalen Umkrempelung der Welt ernst nehmen; andererseits entdeckt man, dass die Maßnahmen, die die USA jetzt ergreifen die sind, mit denen die Supermacht auch schon zu Zeiten des vergangenen Kalten Krieges für Ordnung gesorgt hat. Da wird das Militär aufgefahren, da fallen Bomben, da fliegen Flugzeuge und bomben Städte zusammen (mit den entsprechenden Kollateralschäden), da wird an der Sortierung der Staatenwelt nach Gewinnern und Verlierern unbedingt festgehalten. Man kümmert sich, nachdem die beiden Türme des WTC zusammengestürzt sind, sofort um die Wirtschaft. 5000 Menschen liegen tot herum, und was ist die erste Reaktion? Börse zumachen, Sorge um das Finanzkapital und das spekulative Kapital - alles wie gehabt. Wie passt das zusammen?

4. Ein vierter Widerspruch eird deutlich, wenn man sich die Aktionen in Afghanistan anschaut. Einerseits Bombenteppiche auf die großen Städte, Angriffe auf die Stellungen der Taliban. Man hört auch von biologischen und chemischen Mitteln gegen Höhlensysteme und Opiumfelder - mit den entsprechenden Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung, die ganz offen eingestanden werden . Auf der anderen Seite wirft der selbe Staat in Afghanistan Reisbeutel ab. Was denn nun: Zerstörung von Land und Leuten oder Hilfe in der Hungersnot? Das scheint auf den ersten Blick überhaupt nicht zusammen zu passen.

5. Fünfter Widerspruch: Wir wissen alle, dass zunächst mal in den ersten Wochen ganz klar die Botschaft ausgegeben worden ist, es handle sich um den "Kampf der zivilisierten Welt gegen die unzivilisierte Welt des Islam" .Plötzlich entdeckte man jedoch Bush in einer Moschee, wo er mäßigende Reden hält Was ist denn da los? Was hat es mit dem Dementi auf sich, es sei nicht so gemeint, es seien nicht alle Islamis Fundamentalisten. Einerseits wird der Islam also verdächtigt, er sei Grund und Quelle des Terrorismus. Andererseits wird das wiederum relativiert und zwar von den selben Leuten.

6. Sechster Widerspruch: Einerseits erklären Deutschland, die europäischen und die Nato-Staaten die bedingungslose Solidarität mit Amerika. Auf der anderen Seite spricht Schröder in beiden Regierungserklärungen davon, dass diese Solidariät ganz aus nationalen Interessen heraus erfolgt. Wie soll denn das zusammenpassen? Uneingeschränkte Solidarität heißt ja wohl, dass sich Schröder die Anliegen des amerikanischen Staates im Kampf gegen den Terrorismus zu eigen macht. Die andere Sache heißt, das ganze soll aber im nationalen, im deutschen oder europäischen Interesse geschehen. Und irgendwie weiß man ja aufgrund der Entwicklung in den letzten zehn Jahren auch, dass die Partnerschaft zwischen Europa und USA sich mit der Konkurrenz gerade in politischen und ökonomischen Fragen sehr wohl verträgt. Man kann also nicht sagen, dass die Interessen Amerikas vollständig mit den europäischen oder deutschen identisch sind. Wie darf man diese Politik also verstehen? Einerseits bedingungslose Solidarität, andererseits wird auf den nationalen Interessen insistiert, die gerade eine Einschränkung dieses Solidaritätsversprechens sind. Wie passt das zusammen?

7.Siebter Widerspruch: In der Innenpolitik wird gesagt, der Kampf gegen den Terrorismus gebiete ganz neue Sicherheitsmaßnahmen. Otto Schily hat zwei Sicherheitspakete vorgestellt, die jetzt auch verabschiedet werden. Wenn man sich die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung anschaut, dann sieht man, dass die meisten ohne Praktizierung eines Generalverdachtd gegenüber allen Bürgern im Staat leben, nicht auskommen. Am Flughafen werden alle kontrolliert, bei der Rasterfahndung muss erst mal das Raster sehr breit angelegt werden, neue Passkontrollen, neue Abhörmethoden usw.. Da fallen erst mal alle Bürger drunter - obwohl es doch angeblich nur gegen die Terroristen geht.

Dies sind nur einige der unmittelbar auffallenden Widersprüche, die auf erheblichen theoretischen Klärungsbedarf verweisen. Ich weiß nicht, wie viele der genannten Widersprüche ich jetzt behandeln kann, denn ich möchte auch noch einen zweiten Teil eröffnen: Es gibt natürlich auch Kritik an der amerikanischen Politik. Von einer "neuen Friedensbewegung" (z.B. auf dem Attac-Kongress in Berlin)ist gar die Rede. Was von dieser Kritik zu halten ist, das möchte ich in meinem zweiten Teil abhandeln.

IV.
Zunächst aber zum ersten Widerspruch. Die Behauptung hieß, die praktische Entscheidung der USA, Afghanistan anzugreifen, um die antiamerikanische und terroristische Bewegung Al Quaida zu zerstören auf der einen Seite, und die öffentliche Darstellung, es handele sich bei den Terroristen um die pure Verkörperung des Bösen auf der anderen Seite fallen auseinander. Entweder heißt das Urteil: es handelt sich um bösen, also inhalts- und grundlosen Willen. Oder der Angriff gilt als eine Kriegserklärung an die USA, als Antiamerikanismus. Und letzteres haben sie offensichtlich getan, denn sonst würden sie ja nicht die Al Quaida und Afghanistan angreifen. Sonst wüssten sie ja auch gar nicht, wen sie eigentlich angreifen sollten. Sie hätten keinen Grund jemand Bestimmtes anzugreifen. Denn wenn es nur "das Böse" wäre, wäre der Angriff auf Amerika ja Zufall, grundlos.
Die Auflösung dieses Widerspruchs ist relativ einfach. Man muss nur wissen, dass man eine große Unterscheidung zwischen einer politischen Feindschaftserklärung und dem von den Politikern in der Öffentlichkeit verbreiteten Feindbild zu machen hat. Auf der einen Seite die Feindschaftserklärung, in der Amerika manchmal offen, manchmal nur durch ihre Taten erkennbar, politisch begründet und militärisch durchführt, was sie wollen. Aus ihrem außenpolitischen Interesse ergibt sich, warum sie Afghanistan und die Al Quaida mit militärischen Operationen überziehen. Daneben und getrennt davon, manchmal sogar im Gegensatz dazu gibt es das Feindbild. Das ist für uns, für das Volk zurechtgebastelt. Der Feindschaftserklärung enthält das politische Interesse der USA, dem Feindbild ist zu entnehmen, wie wir die Sache sehen sollen, damit wir uns, überzeugt vom Feindbild, der Feindschaftserklärung anschließen.
Klären wir das inhaltlich etwas weiter: Fangen wir mit der politischen Feindschaftserklärung der USA gegen den Terrorismus an. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass sowohl die Feindschaftserklärung als auch die ersten durchgeführten Maßnahmen der USA folgende Botschaft, politisch und militärisch, in die Welt setzen: Jede antiamerikanische Regung eines Staates in seiner Außenpolitik und jede, von einem Staat in seinem Innern geduldete oder nicht hinreichend bekämpfte antiamerikanische Regung wird zum Anlass genommen, solchen Bewegungen und auch dem "Dulderstaat" , mit einer Feindschaftserklärung zu kommen; die heißt: "Antiamerikanismus wird militärisch niedergemacht" .Das wird im Augenblick demonstrativ an Afghanistan militärisch vollstreckt. Obwohl weder die Taliban-Regierung Amerika den Krieg erklärt hat noch Amerika der Taliban-Regierung, wird ein veritabler Krieg geführt, werden die Taliban zusammengebombt. Ihr Verbrechen ist es, Bin Laden bei sich zu dulden.
Dass all das ganz ohne Kriegserklärung abläuft, erlaubt den nächsten, simplen, Schluss: Sie kennen alle die Rede von der Weltinnenpolitik. Hier führen sich die USA so auf, als könnten sie die Grenzen souveräner Staaten und deren mehr oder minder ausgeprägtes Gewaltmonopol nach innen ignorieren, und sich aufgrund der Machtvollkommenheit zusammen mit der Nato so aufführen als seien die Staaten eigentlich nur Untertanen ihrer (Welt-)Macht. Amerika fordert von allen Staaten die Umsetzung der us-amerikanischen außenpolitischen Zielsetzungen in der Außen- und in der Innenpolitik. Egal ob das diesen Staaten im Innern Probleme bereitet und ihre Vorhaben, vernünftig oder unvernünftig, durcheinanderbringt. Jegliches staatliche Handeln ist ab sofort unter der Prämisse der amerikanischen Terrorismusbekämpfung zu betrachten. Die USA machen also ernst mit ihrem Anspruch, dass sie sich, als Weltmacht Numero eins, um Souveränität von Staaten nicht kümmern müssen. Das ist der Punkt an dem Völkerrechtsspezialisten immer aufschreien und sagen, das ist gegen das Völkerrecht. Souveränität von Staaten wird überhaupt nur noch akzeptiert, sofern die Souveränität nach innen und außen amerikanischen Direktiven genügt. Pakistan ist so ein Fall. Der Kurswechsel von Pakistan, sehr freiwillig wird der nicht vollzogen worden sein, und die Abwicklung der pakistanischen Innen- und Außenpolitik lebt von der negativen pakistanischen Entscheidung, sich auf keinen Fallk mit den USA anzulegen. Was positiv zum Resultat hat, dass Pakistan nun einen 180-Grad-Kurswechsel vollzogen und gesagt hat: "OK, Land und Leute werden euch zur Terrorismusbekämpfung unseres Nachbarn - unseres ehemaligen Zöglings - zur Verfügung gestellt."
Der amerikanische Standpunkt lässt also kein gegen Amerika gerichtetes Regime zu, wie immer das auch aussehen mag, vernünftig oder unvernünftig, wie offensiv oder defensiv diese Gegnerschaft auch ausgetragen wird. Selbst so etwas, was es eine Zeit lang während des Kalten Krieges noch gab, wie Neutralität, wird nun von Seiten der Amerikaner nicht mehr geduldet. Denn die USA machen ernst mit ihrem Sortierungsmaßstab - für oder gegen US-Interessen - und der wird in der Zukunft - da muss man kein großer Prophet sein - noch einiges anrichten in der Welt. Soweit der Inhalt der Feindschaftserklärung.
Wie soll man als Bürger der zivilisierten Welt nun dieses Programm, das der Welt als neuer kalter Krieg vorgestellt wird, betrachten? Wie soll man das nehmen, wie soll man sich das zurechtlegen? Also wie ist das Feindbild beschaffen? Eines ist jetzt schon klar: Wo Feindschaftserklärung und Feindbild auseinanderfallen - und das liegt nun mal in der Logik dieser Sache -, dann wird das Feindbild immer die Lüge zur Feindschaftserklärung, die ideologische Fassung, die Schönfärberei der Feindschaftserklärung sein. Wie sollen wir uns das imperialistische Interesse zurechtlegen? Als gerecht, gut, als Kampf der Zivilisation gegen das Unzivilisierte. Als notwendige Verteidigung der Werte der Zivilisation gegen die Barbarei des Bösen. Lauter ideologische, moralische, z.T. religiös-theologische Überhöhungen, in denen das tatsächliche imperiale Interesse Amerikas gar nicht mehr vorkommt. Wir sollen uns also zu dem politischen Interesse, das man ja den Taten entnehmen kann, wenn man sie gescheit anschaut, einen moralischen Standpunkt zulegen, in dem das politische Interesse, die politische Sache, nicht mehr vorkommt, also ideologisch ausgelöscht ist. Man soll also nicht mehr sagen, die USA würden nach ihrem imperialistischen Programm handeln, brutal Staaten nebst Völkern fertigmachen, wenn die nicht nach ihrer Pfeife tanzen wollen. Nein, man soll sagen: Das ist die Verteidigung auch unserer Werte, die Amerika relativ selbstlos übernimmt. Deswegen, soll man sich sagen, sind die Amerikaner auch im Recht, wenn sie das machen, wenn sie mal wieder einen Staat in die Steinzeit zurückbomben, was ja, wie man weiß, bei Afghanistan schon gar nicht mehr geht. Der Gegner ist dann, weiß man, im Unrecht, weil der ist ja ein Verbrecher, und deswegen - so heißt der letzte Schritt dieser Volksverdummungstour, immer mit Feindbildern in die Welt gesetzt -, sind auch alle brutalen zerstörerischen Mittel die Amerika einsetzt "leider" gerechtfertigt, weil notwendig. Das kennt man: Der gute Zweck, der jetzt allein dem moralischen Feindbild entnommen worden ist, heiligt die "leider" bösen Mittel. So sollen wir es sehen, und billigen. Und nicht nur theoretisch billigen, sondern diese Billigung soll zugleich dafür sorgen, dass wir auch Ja sagen zu allen praktischen Maßnahmen, zu denen der hiesige Staat sowohl im Äußeren als auch im Inneren schreitet.
Zusammenfassend oder noch mal anders gesagt: Der Zusammenhang von US-Interesse und Krieg wird ganz brutal mit dem Feindbild auf den Kopf gestellt. Das politische Interesse, das ich gerade entwickelt habe, und die daraus abgeleiteten militärischen Mittel, heißt: Imperialistisches Vorgehen gegen alles was antiamerikanisch ist, oder sich von uns als antiamerikanisch einordnen lässt. Das Recht leiten wir daraus ab, dass uns sowieso niemand widersprechen kann, denn wir sind ja die Stärksten - was übrigens schon fast das ganze Geheimnis von Recht ist. Diesen Zusammenhang kann man sich auch noch von der UNO bestätigen lassen, damit dieses Interesse nun als allgemeingültiges vorgestellt wird: Ein singuläres Interesse dieser Supermacht Nr. 1 ist jetzt als Recht inklusive der von der USA in Gegenwart und Zukunft im Einsatz gebrachten Mittel abgehackt, als allgemein notwendig vorgestellt und im letzten Schritt über das Feindbild auch noch geheiligt. Damit sind wir beim Bösen, der Moral pur angekommen. Das ist der Zusammenhang: Wir sollen das ganze also andersherum sehen. Wir sollen hinten anfangen. Wir sollen tatsächlich glauben, der Grund für das amerikanische Vorgehen sei die Moral des Guten, die Werte, die Freiheit, die Zivilisation. Das sollen wir glauben! Und wir sollen glauben: Ja, wenn das Gute der Ausgangspunkt der US-Politik ist, dann haben sie auch das Recht zum Kriegführen! Da kann ihnen doch keiner widersprechen. Und wenn der Ausgangspunkt so gut ist, dann heiligt das natürlich auch die Mittel, und seien sie noch so brutal. Und welche Mittel im Augenblick benutzt werden, das kann man der Tageszeitung entnehmen, denn es wird ja nichts verschwiegen! Muss ja auch gar nicht. Offensichtlich ist man sich im Klaren darüber, dass der Zusammenhang bei der Mehrheit der Bürger so funktioniert. Da muss nichts mehr verschwiegen werden. Denn in der Umkehrung taucht das politische Interesse als Grund für das politische Vorgehen eben überhaupt nicht mehr auf.
So wird die militärische Front durch das Errichten einer moralischen Heimatfront ergänzt. Beide Fronten sollen geschlossen werden, deswegen ist auch auf diese Abteilung der Aufbereitung wahnsinnig viel Wert gelegt worden. Das Volk soll halt - nicht nur geistig - mitmachen beim Kriegführen.

V.
Damit ist auch der zweite Widerspruch schon ein Stück weit miterklärt. Worin besteht er? Einerseits wird Afghanistan mit einem Bombenkrieg überzogen, der natürlich auch die Zivilbevölkerung trifft. Andererseits werden über Afghanistan, wo auch immer, Reisbeutel und Ähnliches abgeworfen. Zerstörung, Vernichtung zum einen und von demselben Regime angebliche humanitäre Hilfe zum anderen. Töten und Leben erhalten. Ja was denn nun? Wie passt denn das zusammen? Erklärt ist das eigentlich durch den 1. Widerspruch schon ziemlich. Denn einerseits fällt das Abwerfen von Reisbeuteln natürlich unter die Abteilung "ideologische Botschaft". Die Kehrseite zum Feindbild heißt nämlich immer: Freundbild. Alle Afghanen, die da den Reis abfangen, sollen sich folgende Botschaft zu Herzen nehmen - übrigens nicht nur die Afghanen, sondern die ganze Welt soll aus diesen Esspaketen den Schluss ziehen: "Das ist doch klar, wir, die Werfer von Reis und Keksen, sind die Guten, und versorgen das geschundene afghanische Volk - gegen das haben wir ja auch gar nichts - mit Nahrungsmitteln, während die Regierung das Volk verhungern lässt. Das merkt euch gefälligst!" Das ist nichts anderes als die Unterstreichung der Botschaft "Wir gut, die böse" an die Welt einerseits, und an das afghanische Volk andererseits; ein Akt, um die Amerikaner, die Welt und die Afghanen von der Heiligkeit der Bomben zu überzeugen. Einem guten Zweck dienen sie! Das sieht man doch an den Reisbeuteln! Das ist die - in ihrem Zynismus kaum zu überbietende - eine Seite.
Andererseits wird klar, dass mit jeder Kriegswoche die Zahl derer, die da mit Reis ernährt werden soll, geringer wird, weil die ja umgebracht werden. Sie sind ja Opfer dieses Krieges, ob es jetzt Krankenhäuser sind oder Schulen oder ganze Dörfer - auf jeden Fall fallen sie hierzulande unter die Kategorie Kollateralschäden. Man kann daraus einen Schluss ziehen, der liegt wirklich auf der Hand und ist nicht schwer zu ziehen: Es ist 100%ig sicher, dass es bei dem Reis, den Lebensmittelabwürfen nicht um die Versorgung der afghanischen Bevölkerung geht. Den Schluss kann man auf jeden Fall ziehen. Dafür ist die ganze Aktion "Bomben und Reis" eben doch zu ekelhaft. Übrigens: weder die Lebensmittelmenge noch die Art und Weise der Verteilung unters Volk sind auf Versorgung berechnet. Die Pakete stehen folglich nur für eine weitere Demonstration. Und die ist jetzt in erster Linie an das afghanische Volk gerichtet: "Hergehört, afghanisches Volk, wir werden eure Führung, die Taliban-Regierung so oder so vernichten ( man redet ja auch gar nicht mehr drüber wie, sondern was danach kommt). Ihr, das Volk, habt euch also zu entscheiden. Seid ihr für die Taliban-Regierung oder seid ihr für uns." Und um den Afghanen diese Entscheidung zu erleichtern, gibt es halt neben Bomben und Raketen diese Päckchen mit Flugblättern, Radios damit man Kriegspropaganda hören kann und dann eben Reis. Aber jeder Reissack steht eben - und das bezeugen gerade die Flugblätter und die Radios - nur für das eine: "Merkt es euch gefälligst, wir sind die Guten, eure staatliche Regierung, die Taliban, sind die Bösen, mit denen seid ihr verloren, also stützt sie nicht, sondern haltet euch zurück in diesem Krieg, dann könnt ihr mit amerikanischer Hilfe rechnen." Schöne Hilfe kann man da nur sagen. Psychologische Kriegsführung triffts wohl besser.
Der Widerspruch passt also so zusammen, dass Volk und Führung entzweit werden sollen. Da soll ein Keil zwischen Volk und Führung getrieben werden. Die Führung wird zu diesem Zweck zusammengebombt, das Volk kriegt Päckchen und Bomben. Folglich soll auch niemand erzählen, dass die Bomben als Kollateralschäden, also ernsthaft als versehentliche Nebenwirkung verbucht werden. Denn Opfer in der Zivilbevölkerung sind gewollt. Sie zeigen nur, wie ernst es den USA mit der Alternative ist, die sie dem afghanischen Volk dort aufmachen: "Wenn ihr zu der Taliban-Führung haltet, dann seid ihr genauso dran wie die." Das Urteil: "Gegen das afghanische Volk haben wir nichts!", ist also so gar nicht zutreffend. Das zeigen, die durchaus in Kauf genommenen, wenn nicht sogar intendierten Bomben auf zivile Ziele. "Gegen das afghanische Volk haben wir nichts!", gilt überhaupt nur unter einer Bedingung, und die ist der Witz an der ganzen Sache und heisst: Wir haben nichts gegen das afghanische Volk, solange es sich nicht zu ihrer fundamentalistischen Staatsführung hält. Wenn doch, dann fällt sie bei uns unter dieselbe Feindschaftserklärung mit der wir die Taliban-Regierung überziehen.
Übrigens, es kann einem an dieser Stelle durchaus mal auffallen, was Bin Laden in einem seiner Videos zu dem Anschlag selber gesagt hat. Er hat dasselbe gesagt, nämlich: "Wenn ich im Krieg bin mit Amerika, und so sehe ich das, dann sind alle amerikanischen Bürger, die hinter dem amerikanischen Staat stehen, genauso meine Feinde wie die amerikanische Regierung." So sehen die Staaten oder deren Führer in Kriegen das Verhältnis Staat und Volk. Wenn sie sich gegen die Führung aufstellen, dann kann man darüber reden, wie es mit ihnen weitergeht, wenn nicht dann nicht. Und in dem Fall hat die indische Schriftstellerin Roy recht. Das ist das identische Denken, das kommt nicht aus der Menschennatur sondern aus den politischen Interessen kriegführender Parteien der Staatenwelt. Soweit zum zweiten Widerspruch.

VI.
Bleiben wir einen Moment bei dem Feind, den die USA sich ausgesucht haben. Ich habe gesagt, da müsste einem eigentlich folgender - dritter - Widerspruch auffallen. Dieser Widerspruch besteht darin, einerseits ständig in der Religion des Islam, die Quelle, den Grund des Terrorismus zu entdecken. Auf der anderen Seite aber sich aber praktisch und theoretisch von diesem Urteil zu distanzieren und Moscheen zu besuchen und zu sagen die Islamis sind doch nicht alle Fundamentalisten. Wobei natürlich allein schon dieser Spruch: "Die Islamis sind doch nicht alle Fundamentalisten!" sehr geständig ist. Da ist die ganze Verdachtshaltung gegenüber der Religion. Da wird gerade mit dem Verweis auf das friedliche Zusammenleben dem Verdacht Raum gegeben, die Menschen könnten unter Umständen aus der Religion einen anderen Schluss ziehen, als es von einem der westlichen Staaten gewollt ist.
Klären wir mal den Widerspruch mal drüber auf, dass wir uns fragen, wie es eigentlich mit der religiösen Motivation der beiden Kriegsparteien aussieht. Einerseits den USA und andrerseits den Taliban und der Al Quaida. Da fällt als erstes auf, dass sich beide Seiten auf einen Gott berufen. Dass der Gott nicht identisch ist, weiß man. Die Amerikaner sagen, dass ihr Selbstverteidigungsrecht ihnen von Gott verliehen wurde. Amerika ist nämlich "god's own country". Die Al Quaida und die Taliban sagen, alles was wir machen, ist die politische Umsetzung der Lehre des Koran. Also von unserem Gott Allah höchstselbst befohlen. Bush meint also auch, einen Gott auf seiner Seite zuhaben - genauso wie die andere Seite. Darin sind sich beide Seiten offensichtlich wohl sehr ähnlich. Beide meinen, sie müssten sich auf ein höheres jenseitiges Wesen beziehen, um ihren Krieg, um ihre terroristischen Aktionen auszugestalten. Aber eins habe nich auch schon gesagt. Bei aller Identität - wir wissen, wo bei Bush die Berufung auf Gott angesiedelt ist, nämlich ganz "hinten", dort, wo dem politischen Interesse die höchste Weihe verliehen wird, beim Feindbild. Bei Bin Laden ist das ein bisschen anders.
Bevor ich das kurz anspreche, muss allerdings noch ein Schluss gezogen werden, zu dem was ich eben gesagt habe. Wenn offensichtlich mit der Berufung auf Religionen Kriege zu führen sind, wenn die Religionsführer nicht nur im Mittelalter sondern heute das nicht nur mit sich machen lassen, sondern voll dahinterstehen - das reicht von der Entwicklung ganzer Staatsprogramme mit religiösem Inhalt bis zur Absegnung von Kanonen -, dann muss man daraus den Schluss ziehen, dass diese Überhöhung nationaler Interessen im Namen eines Gottes, der dann auch alle Opfer gutheißt, die im Krieg anfallen, offensichtlich als Keim in allen Religionen drinsteckt. Meine Behauptung heißt: Das, was dem Islam als Fanatismus angerechnet wird, die terroristischen Aktivitäten, ist keine besondere Eigenschaft dieser einen Religion, des Islam, sondern ist im Keim in jeder Religion enthalten. Immer wird die Religion herangezogen und lässt sich heranziehen, letzte Opfer zu fordern und zu segnen. Und wie Sie vielleicht wissen, ist die Sache mit den Märtyrern keine Erfindung des Islam, sondern des Christentums. Die Abstraktion die in jeder Religion verlangt wird, man hat von sich und seinen irdischen Interessen und seinem irdischen Willen abzusehen, man hat sich geistig auf das Jenseitige einzustellen, das ist die Grundlage dieses Fanatismus, der jeder Religion zu eigen ist, mit der jede Religion instrumentalisiert werden kann zur Absegnung von Krieg und anderem brutalem Zeug. Das ist bei Christen und Juden so, das ist bei Buddhisten und Muslimen so und bei allen anderen Religionen auch.
Das ist bei der Berufung von Bin Laden auf seinen Gott nicht anders. Auch er benützt diese Berufung. Allerdings ein bisschen anders als der US-Imperialismus, der mit der verlogenen Beweihräucherung der eigentlichen Kriegszwecke Volkspropaganda betreibt. Bin Laden und andere muslemische Fundamentalisten, seine Al Quaida, alle anderen fundamentalistischen Organisationen und Staaten haben den Ausgangspunkt ihrer gesamten politischen Konzeption, einen umfassenden islamischen Staat zu gründen, tatsächlich in ihrer religiösen Motivation. Die fällt bei ihnen mit dem politischen Anliegen, einen reinen islamischen Staat oder einen reinen islamischen Staatenbund zu gründen, der nach innen und nach außen nur die Gesetze des Korans verfolgt, zusammen. Ihr politisches Ziel ist der islamische Gottesstaat. Ihr Ziel ist nicht, sich in eine Klause zurückzuziehen und als Mönch das eigene private Leben "dem da oben" zu widmen. Ihr Ziel ist auch nicht die Errichtung einer weltlichen Herrschaft mit dem Islam als der Politik dienenden Staatsreligion. Sondern sie wollen ihren Glauben zur Grundlage des Staates machen, also zur Ausübung von Herrschaft über Leute machen, die gefragt oder nicht gefragt, mitmachen müssen. Das per Video geäußerte Anliegen von Bin Laden und seiner Al Quaida, aus dem ja überhaupt kein Hehl gemacht wird, entspricht diesem Programm: Die Ungläubigen, die Heiden, die Kreuzfahrer, vor allem die Amerikaner, haben den heiligen islamischen Boden zu verlassen. "Haut ab, dann geben wir Ruhe!", wäre eigentlich kurzgefasst ihre Botschaft. (Die natürlich für die USA nicht in Frage kommt. Warum nicht? Klar, die haben ja ihre imperialen Gründe, nicht zuletzt diese Weltgegend dort als ihr berechtigtes Zugriffsterritorium zu behandeln.) Das politische Interesse der Fundamentalisten heisst also Staatsgründung im Namen Gottes. Die fangen tatsächlich an und machen ihren Glauben zum Grund ihrer politischen Ambition. Die machen wirklich die Verrücktheit und erklären Moral und nicht das, was der Imperialismus so an handfesten politischen, territorialen, ökonomischen usw. Interessen hat zum Grund für Staatsgründungen.
Der Schluss, den man daraus ziehen kann, heißt: Was der Westen als religiösen Fanatismus bezeichnet, was der Westen mit Missbrauch von Religion gleichsetzt, dass begründet sich weder allein aus dem Islam noch hat es etwas mit Mißbrauch von Religion zu tun. Zum einen handelt es sich um gute Glaubenssitte in allen Religionen, im Namen des Allerheiligsten Menschen abzuschlachten und sich abschlachten zu lassen; und zum anderen wird hier Religion nicht miß-, sondern ganz funktional gebraucht. Wozu ist sie denn sonst da, als dazu, dem irdischen Leben einen höheren Sinn zu verleihen. Als Mißbrauch gilt im Westen der islamische Fundamentalismus, weil er sich gegen das hier eingerichtete Verhältnis von Politik und Religion vergeht. Wo sich Religion nicht loyal dem bürgerlichen Staatszweck unterwirft, in dem Fall der Supermacht USA, da gelten die Anhänger einundderselben Religion als Fundamentalisten. Wo sie sich dagegen unterordnen, wie Christen und Muslime hier, wo ihre ganze Existenz auf einer mehr oder weniger unkritischen Loyalität zum Staat basiert, da ist nichts mit "-ismus" , da ist nichts mit Fanatismus, mit Islamismus, da sind die Islamis angesehene Bürger, die mit Christen gut zusammenleben können/sollen. Missbrauch wird da nicht betrieben. Das ist der ganze Zusammenhang.
Es wird also unter dem Stichwort Fanatismus, Missbrauch des Islam, nur eingeklagt, dass sich Religionen - christliche, jüdische, buddhistische, muslimische usw.- gefälligst dem im 21. Jahrhundert in den westlichen Zivilisationen eingerichteten Verhältnis von Religion und Staat zu unterwerfen haben. Religion ist dann funktional und eine der Abteilungen der Moral, die für die Verhimmelung der irdischen Zwecke der Politik zu sorgen hat. Manchmal ein bisschen kritisch, manchmal auch unkritisch, meistens im Prinzip unkritisch. So löst sich dieser Widerspruch auf.

VII.
Jetzt noch etwas zu dem - siebten - Widerspruch, dem der Inneren Sicherheit. Die anderen muß ich erst einmal auslassen. Ich habe vorhin gesagt, die Innere Sicherheit bzw. Minister Schily verspricht Schutz der Bürger vor dem religiösen Fanatismus, der sich als terroristische Aktion äußert. Hierzulande sollen also die Sicherheitsmaßnahmen die Bürger vor Terrorismus schützen; dass aber mit dem Widerspruch, dass diejenigen, die geschützt werden sollen, bei fast jeder Maßnahme selbst als Verdächtige behandelt werden. Was ist da los?
Zunächst einmal zu der Behauptung von Schily, Beckstein und Co., dass der Schutz den Bürgern git. Der erste Punkt ist aus zwei Gründen albern, denn wenn es wirklich um den Bürgerschutz ginge, dann wüsste ich sofort, was die Regierung tun müsste. Die rot-grüne Regierung müsste sich aus der amerikanisch geführten Allianz gegen den Terrorismus heraushalten und dem US-Imperialismus nebst dem europäischen den Rückzug aus den islamischen Staaten nahelegen. Was stellt denn die Gefahr für hiesige Bürger dar? Schily hat's gesagt. Im Augenblick, sagt er, sind wir nicht gefährdet; aber wenn wir uns - uneingeschränkte Solidarität haben wir versprochen - in die außenpolitischen Aktionen einklinken, sind wir nicht mehr ungefährdet bzw. kann man nicht mehr sagen, dass wir ungefährdet wären. Also diejenigen, die den Bürgern die Gefährdung überhaupt erst einbrocken bzw. durch das bisherige Wirken auf dem Globus eingebrockt haben, sind zugleich diejenigen, die versprechen, die Bürger vor ihr zu schützen. Da kann irgendetwas nicht stimmen.
Ich lasse es mal jetzt bei diesem einem Punkt, der ist mir sowieso der wichtigste. Die Schutzmacht, die Macht, die sich selbst zum Schutz der Bürger erklärt, also der hiesige Staat mit seinem Innenminister, ist gerade durch die bisher betriebene und jetzt angekündigte Außenpolitik die Quelle der Gefahr für die Bürger. Und wenn man sich anschaut, was Schröder dem pakistanischen Staatspräsidenten bei seinem jüngsten Besuch erklärt hat, nämlich dass der nicht erwarten könne, dass er bei Bush für eine Unterbrechung der Bombenangriffe vorstellig wird, dann ist klar, dass es um den Bürgerschutz nicht geht. Kriegsgeil wie noch kein deutscher Regierungschef nach 1945 hat dieser sozialdemokratische Chef einer rot-grünen Regierung sogar gefordert: weiterbomben, weiterbomben!
Aber um was geht es dann? Meine Behauptung heisst, es geht denen im ersten und im zweiten Sicherheitspaket nur darum, die innere Front gegen den Terrorismus so abzusichern, dass Störungen, also tatsächliche terroristische Anschläge im Innern ihre Beteiligung an der äußeren Front der Terrorismusbekämpfung nicht gefährden. Es geht also um den Schutz der Staatsinteressen, nicht der Bürgerinteressen; Schutz des Staates vor Anschlägen, die seine außenpolitische Handlungsfreiheit beschneiden könnten. "Wenn wir es schaffen, den inneren Apparat so vollständig unter Kontrolle zu haben, dass wir hier jede terroristische Aktivität im Keim ersticken (das ist ein Ideal und ich will mich gar nicht darüber auslassen, ob das geht oder nicht geht, das ist auch gar nicht meine Sorge), nur dann haben wir das Volk hinter uns, wenn wir uns auswärts am Schießen und Töten beteiligen." Das ist der ganze Witz, das ist die ganze Logik die den beiden Sicherheitspaketen zugrunde liegt. Möglichst vollständige Kontrolle all dessen, was an Regungen im Innern läuft, damit nicht durch Nachlässigkeiten der Kontrolle Schädigungen eintreten - die natürlich auch Bürger treffen -, die zu einer neuen außenpolitischen Kalkulation nötigen, die die Beteiligung Deutschlands an der Allianz gegen den Terrorismus in ein neues Licht setzen. Das meine ich, ist der Punkt. Dieses politische Ideal versuchen sie durchzusetzen: Möglichst alles im Innern unter Kontrolle zu haben, dass ihnen keine terroristische Aktivität entgeht, die ihre innen- und außenpolitische Handlungsfreiheit beschneidet. Oder positiv formuliert: ein Staatschutz neuer Güte wird aufgezogen, der im Innern jene totale Kontrolle anstrebt, die sich Schröder und Co. als Grundlage für deutsche Außenpolitik wünschen.
Was das alles einschließt, dass kann man nicht nur an dem sehen, was da auf den Weg gebracht wird, sondern auch an allen anderen Sachen, die da angedacht wurden. Offensichtlich, und so klärt sich der Widerspruch auf, ist der rechtstreue Bürger, der sich an Recht und Gesetz hält, seit dem terroristischen Anschlag auf Amerika, seit der Debatte über Schläfer, überhaupt gar keine Garantie mehr für tatsächliche Rechtsicherheit des Verhaltens der Bürger. Da gibt es welche, oder da werden welche vermutet, die ausgerechnet unter dem Mantel der eingeforderten Gesetzestreue terroristische Verbrechen vorbereiten. Der Staat zieht die Konsequenz: "Ich muss jetzt über meine Untertanen nicht nur wissen, ob sie rechtstreu sind (dass weiß er, dafür hat er ja seine Register), sondern ich muss soviel wissen, dass ich über ihre möglicherweise verbrecherische Gesinnung jenseits einer rechtstreuen Fassade alles rauskriege." Das ist der Standpunkt und zugleich der Verdacht. Jede rechtstreue Fassade muss nun beargwöhnt werden, inwieweit hinter ihr nicht oder inwieweit sie nicht nur die Tarnung einer verbrecherischen Gesinnung also eines abweichenden, staatsfeindlichen Standpunktes ist. Die muss beargwöhnt werden, obwohl der Staat genau weiß, dass bei der absoluten Mehrheit der hiesigen Bevölkerung Rechtstreue keine Fassade ist. Was er dafür wissen muss, ist eine Form des sicherheitspolitischen Totalitarismus, also die Bestätigung der These, dass nicht nur Demokraten, wie in der Verbotskampagne gegen die NPD, nicht so recht wissen, wo die Demokratie aufhört und wo der Faschismus anfängt. Und eine zweite These, die ich in meinen letzten Büchern aufgestellt habe, wird hier bestätigt, dass nämlich die Demokratie immer dann, wenn sie so etwas wie einen inneren Notstand, also eine tatsächliche oder prospektive Kriegssituation ausruft bzw. sich entsprechend im Inneren darauf einstellt, in so einer Ausnahmesituation zu faschistischen Methoden greift, also zu Methoden greift, die im Faschismus das normale Staatsprogramm darstellen. Natürlich hält jeder Demokrat so ein Urteil für pure Demagogie. Nicht weil er den Sachverhalt bestreiten würden, sondern weil er felsenfest davon überzeugt ist, dass Methoden von Adolf selig in den Händen von Demokraten nur Gutes bewirken bzw. Schlechtes abwehren. Siehe oben! Ich belasse es mal bei dieser These, den Rest kann man nachlesen.
Das passiert im Augenblick. Der Staat traut der Gesinnung seiner Bürger nicht mehr und legt deswegen alle Dienste zusammen. Er kann der Handlung seiner Untertanen die gewünschte Gesinnung nicht mehr entnehmen und organisiert deswegen jenseits der Handlung die Kontrolle der politische Zuverlässigkeit des Privatsubjekts. Das heißt, dass er sich der politischen Gesinnung seiner Bürger getrennt von dessen Rechtstreue vergewissern muss; was eine totalitärer Überschreitung der Schranken ist, die sonst dem Privatsubjekt als seine funktionale private Freiheit gewährt werden.

***

Ich fasse mal zusammen und komme deswegen auf meine Hauptthese zurück: Gerade weil die USA zusammen mit den übrigen G7- und Nato- Staaten ihren "way of life" den Kapitalismus, den Weltmarkt beherrschen und die politisch-militärische Kontrolle gegen jede Infragestellung absichern wollen, führen sie diesen neuen kalten Krieg. Weil sie wollen, dass alles so bleibt, wie sie es sich mittels eines Kalten Krieges, den sie gewonnen haben, und mittels der zehn Jahre Imperialismus als verbliebene Supermacht Numero 1 eingerichtet haben. Damit alles so bleibt, wollen sie einiges ändern und ändern auch einiges. Sie radikalisieren im Innern ihre Sicherheitspolitik, also die Maßstäbe, die sie dann auch an die Loyalität der Bürger stellen; sie verleihen der eigentlich immer schon präsenten Drohung an andere Staaten eine ganz neue Wucht, indem sie an Afghanistan exemplarisch vorführen, was mit Staaten passiert, die in den Verdacht des Antiamerikanismus geraten und verpflichten damit die übrige Staatenwelt in ihrer Außen- und Innenpolitik darauf, alles unter das Verdikt Bekämpfung von Antiamerikanismus zu stellen; egal ob diese eigentlich mit ihrem Staatswesen vernünftiges oder unvernünftiges vorhat. Soweit erst mal der Teil 1. Vielleicht kommen wir nachher noch zur Kritik der Kritiker.

Fragen und Diskussion

Was würden Sie denn an der Stelle von Bush machen?
Ich verweigere mich dieser Frage, und begründe auch warum. Wenn man sich die Fragestellung und das Anliegen, was Sie mir hier vortragen, vorstellt, ist das schon ein heißes Anliegen. Wir, Sie genauso wie ich, müssen im Augenblick ohnmächtig mit anschauen, was da die deutsche und die amerikanische Außenpolitik treibt. Und wenn wir jetzt hier einen ordentlichen Rabbatz dagegen machen würden, wüssten wir doch, was uns passiert. Das ist abzulesen an den paar Leuten, die mal die Schnauze aufgerissen haben in der Schule. Wir sind also im Augenblick tatsächlich in einer ohnmächtigen Situation. Die machen, was sie wollen! Den Krieg hat keiner der Bürger bestellt. Und sie berufen sich auch noch darauf, dass wir sie dafür gewählt haben. Und jetzt verlangen Sie von mir, dass ich mich in die Position des höchsten Machthabers der Welt hineinbegebe, des höchsten Befehlshabers über das größte Militärbündnis aller Zeiten. Das verlangen Sie ernsthaft von mir? Diese Abstraktion von meiner eigenen Lage verlangen Sie von mir? Das mache ich nicht mit.
Abgesehen davon: Die Position, von der ein Bush aus überhaupt nur politisch argumentiert und befiehlt, ist die des obersten Imperialismus, der halt nur dieses eine Ziel hat, die Rolle als ungefährdete Supermacht auszubauen. Deshalb ist es purer Idealismus, Gutgläubigkeit, wenn ich mir vorstelle, der könnte eigentlich auch das Gegenteil von dem tun wollen, was er tut. Es taugt nur dazu, seinen Frieden mit dem gerade Kritisierten zu machen - und Ihre Frage zeigt, dass auch Sie unzufrieden sind - , wenn man sich zu Hause in den Schlaf wiegt mit dem Gedanken: "Ach Gott, wäre der Bush doch ein ganz anderer Mensch, ein Friedlicher vielleicht." Er ist eine Personifikation des imperialistischen Interesses der USA. Und in dessen Rolle schlüpft man nicht mal fiktiv.

Die Einbildung, da ginge immer was ganz anderes, als was die machen, ist gerade ein Beleg für das Reinfallen auf das Feindbild: "Eigentlich sind "wir" ja den Werten verpflichtet, und jetzt weichen "wir" davon ab. Also wenn ich an Bushs Stelle wäre , dann würde ich natürlich für Frieden sein, für Humanität, und was ich mir alles darunter vorstelle." Reingefallen auf die Morallüge.

Ich hab hier ein paar Bemerkungen und Fragen zu den Begrifflichkeiten. Wenn ich so was höre wie Fundamentalismus gleich Islamismus, dann wird mir schlecht, das stört mich.
Des weiteren existiert in der Behandlung der Taliban und Bin Laden durch die USA meines Erachtens auch ein Widerspruch: Erst Freund, dann Feind, wie erklärt sich das?
Und warum redest du beim Westen immer von der zivilisierten Welt, ist der Rest der Welt etwa unzivilisiert?
OK. Den ersten Punkt können wir schnell erledigen. Ich dachte deutlich gemacht zu haben, dass Fundamentalismus und Fanatismus, auch Terrorismus keine spezifischen Eigenschaften des Islam sind, weil der Fanatismus jeder Religion zu eigen ist. Das was die amerikanische Außenpolitik im Augenblick macht, ist sich zu bekennen zum Fundamentalismus ihrer Außenpolitik. Sie wollen das Ideal der totalen Weltinnenpolitik, das sie haben, tatsächlich wahrmachen. An dem Punkt können wir uns sofort einigen, das ist für mich kein Problem.
Der zweite Punkt ist wichtiger: Die Frage weist auf einen weiteren Widerspruch, da haben Sie vollkommen recht. Ausgerechnet die Taliban und Bin Laden sind doch von der CIA gegen die Sowjets großgemacht worden, mit Waffen ausgestattet und ausgebildet worden usw. - und jetzt das. Ich hab neulich den Aufsatz eines Politologen gelesen, eines Kollegen von mir. Der hat gesagt: die Amerikaner wissen einfach nicht, was sie wollen. Eine total chaotische Außenpolitik. Mal sind sie für die Taliban, mal bilden sie den Bin Laden aus, mal sind sie dagegen. Der Mensch ist zurecht Politologieprofessor, meine ich. Er hat sich nämlich geweigert, der Sache theoretisch nachzusteigen und sich zu fragen: Ja, wenn die Amerikaner mal so und mal so mit denselben Bewegungen operieren, was ist denn dann bitteschön - zumal sich die amerikanische Außenpolitik in ihrem Prinzip gar nicht geändert hat und die Taliban sich ja auch nicht geändert haben. Was als ist das Gemeinsame in den gegensätzlichen Stellungen der USA zu den Taliban? Die Antwort ist ganz einfach. Mal passt der militärische Widerstand den Amerikanern in ihr politisches Konzept, in dem Fall in den des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion. Da haben sie eine wunderbare Gemeinsamkeit entdeckt mit den Taliban, übrigens mit allen islamischen Staaten, nämlich den Antikommunismus. Fast jedes von Moslems beherrschte Land hat in seiner Geschichte das große Metzeln gegen Kommunisten, linke Nationalisten und Sozialrevolutionäre meist unter kräftiger Mithilfe der USA zu verzeichnen gehabt. Das ist eine ganz veritable weltpolitische Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Fundamentalisten. (Übrigens genauso wie zwischen Demokratie und Faschismus; es waren und sind beide auch Antikommunisten. )
Als die Sowjetunion, dieser Erzfeind im Kalten Krieg gefallen war, erfolgreich beseitigt war, die Taliban nach einigen Zwischenstationen die Herrschaft gegen andere islamische Gruppierungen in Afghanistan übernommen haben, und dann dem Amerikafeind Bin Laden Unterschlupf gewährt haben, da war ganz klar: Da waren dieselben Bündnispartner im Kampf gegen den Kommunismus nun die Feinde Nr. 1, weil Antiamerikaner. Derselbe Standpunkt, wir benutzen die Bewegungen und Staaten gemäß unseres Interesses. Wenn die Umstände sich ändern, dann ändert sich die Politik ihnen gegenüber - glerade weil das US-Interesse sich treubleibt. Da werden diese Bewegungen mal fallengelassen, was auch heißt, dass sie immer mal wieder hochgeholt werden. Deswegen haben wir doch die letzten 20 Jahre Schwierigkeiten gehabt, weil wir gar nicht nachgekommen sind mit demHerrschaft Umdenken. Sind das jetzt Freiheitskämpfer oder Terroristen? Z.B. die UCK, ich weiß gar nicht, was sie jetzt im Augenblick sind: Freiheitskämpfer oder Terroristen? Das verweist nur auf immer denselben funktionalistischen Standpunkt der amerikanischen Außenpolitik.
Nun zu der anderen Frage: "zivilisiert". Warum man da sich immer so viel schönes drunter vorstellt, gehört in die Abteilung Moral. Verhimmelung politischer Interessen. Schönfärben. Andererseits kann man auch an das Wort "Zivilisation" - zivil, Zivilisiertheit - mal anders rangehen, und es aus der Moralabteilung herausholen. Und mal fragen, was ist denn der wirkliche Gehalt von Zivilisation, warum wird das Zivilleben so gelobt, warum Zivilcourage so hoch gehandelt? Da will ich mal nur einen Punkt sagen nur zum Nachdenken. Es macht mich immer stutzig, wenn das Zivile gepriesen wird. Wenn die Negation zum Militärischen als Eigenschaft des Menschen oder der Gesellschaft gepriesen wird. Zivilcourage, genau dasselbe. D.h. immer, die Menschen sind entwaffnet und zwar von einer Macht, der Staatsmacht. Die sind zivil. Die haben nix mehr zu bestellen. Die haben eine Gewalt über sich! Das ist immer einer der historischen sowie der aktuellen Inhalte von "zivil". Es fällt ja auch z.B. der Generalstreik nicht unter Zivilcourage, sondern Störung des sozialen Friedens - es sei denn er findet beim feindlichen Staat statt.

Mal eine Frage zum politischen Interesse, das hast du ja relativ schwammig geschildert. Ich würde behaupten, dass man das klarer benennen kann und zwar als Interesse nach billigem Öl dort in der Region.
Dass Sie das, was ich über die amerikanische Außenpolitik gesagt habe, für schwammig halten, liegt daran, dass Sie etwas vermissen, was Sie für das primäre Interesse halten. Wenn ich sage der Standpunkt Amerikas ist, alle haben sich unseren Maßstäben in Außen- und Innenpolitik zu unterwerfen, und wenn man dann sieht, wie das durchgesetzt wird, dann ist es ziemlich frech, das schwammig zu nennen.
Ich will aber überhaupt nicht bestreiten, dass in der Region Interesse an Öl von kleinen, größeren und großen Souveränen existiert. Bloß bitte aufpassen, das Interesse an Öl ist gerade nicht so klein wie sie es jetzt - unfreiwillig - machen. Dieses Interesse an Öl heißt nicht, wir Amerikaner zusammen mit den übrigen kapitalistischen Großnationen, die auf diese Energie angewiesen sind, wollen, dass auf jeder Ölquelle da unten die amerikanische Flagge ist. Wenn man das ökonomische Interesse ins Spiel bringt, und da habe ich überhaupt nichts dagegen, dass ist nämlich eines, dann muss man aber auch erkennen, dass da nicht Multis unterwegs sind, also Esso, Shell oder BP, sondern dass da die Staaten unterwegs sind, die ihre politische Aufgabe unter anderem darin sehen, Öl als ein strategisches Gut langfristig zu sichern. Und zwar als Zugriff auf die Souveräne vor Ort bzw. als Sicherstellung gefügiger Herrschaft durch imperiale Gewalt. So paßt es zu dem, was da momentan in Afghanistan passiert.

Da stimme ich dir zu, nur ich denke, dass das Problem ist, dass nicht nur das Primat der amerikanischen Politik ist, sondern des ganzen Westens und der Leute dort. Denn die müssten die teureren Preise für das Öl zahlen und wollen das nicht...
Entschuldigung, aber das ist ökonomischer Quatsch, da sag ich jetzt nichts zu, sondern empfehle allen den GegenStandpunkt zum Öl. (Heft 1/01) Des weiteren hab ich vom amerikanischen oder deutschen Volk sowieso nicht geredet. Ich rede zur Zeit nur vom politischen Interesse von Staaten und was die für ihre Lieblingsbürger, die kapitalistischen Betriebe, in der Welt so alles sicherstellen

Die Amerikaner selbst terrorisieren doch die Menschheit und wenn Europa in sich nicht so zerstritten wäre, könnte man den USA gemeinsam entgegen treten.
Zum einen: Es ist ein bißchen eine Verharmlosung der amerikanischen Politik, sie mit Terrorismus gleichzusetzen. Es wäre richtig zu behaupten, dass Amerika vor keiner terroristischen Aktivität zurückschreckt. Aber die USA sind keine Terroristen. Nicht nur, weil ihre Politik von der Staatenwelt und dem Sicherheitsrat weltweit als Recht anerkannt ist - was mehr die völkerrechtliche Legitimation betrifft. Wichtiger ist: Die Anschläge verweisen auf ein militärisch unschlagbares Amerika, das es geschafft hat, die Welt der Staaten daran zu hindern, ihnen einen Krieg zu erklären, so dass Bewegungen, Parteien, Völker und vielleicht sogar Staaten selbst nur aus der Anonymität heraus zu Kriegsersatzhandlungen unterhalb der offiziellen Kriegserklärung greifen, und zwar mit "Waffen", mit denen kein Krieg zu führen ist, mit denen nur terroristische Attentate gehen. Der Terrorist bekennt sich in seinen Aktionen zu seiner eigenen Ohnmacht gegenüber der amerikanischen Macht, auch wenn er das vielleicht nicht so sehen mag. Aber der Anschlag steht für nichts anderes als dafür, wie weit es Amerika gebracht hat, Staaten auf der Welt einzuschüchtern.
Zu zweiten, zu Europa: Würde man es eigentlich gut finden, wenn die europäischen Staaten eine noch eigenständigere homogene, eine nicht von interner Konkurrenz gezeichnete Politik machen würden? Anders gefragt: würde man es besonders schön finden, wenn jetzt noch ein zweiter in sich geschlossener Imperialismus auf der Welt dem von Amerika mehr Konkurrenz machen würde, als es Europa schon tut? Das Projekt Europa ist ein bißchen was anderes, als was Sie unterstellen. Schon wieder reingefallen auf - diesmal - das Freundbild Europa: Hort des Friedens und Wohlfahrt. Pustekuchen. Europa ist nicht in die Welt gerufen worden, um die Europäer daran zu hindern, gegeneinander Krieg zu führen, sondern um der Sonderrolle Amerikas erstens ökonomisch und zweitens politisch Konkurrenz zu machen. Seit der Zerstörung der Sowjetunion, seitdem Europa diesen Stand erreicht hat, ist in der Zeitung ein Thema das Wichtigste: Wie steht der Euro zum Dollar. Es ist nichts anderes als ein in der Währung festgemachter Vergleich dieser beiden Großmächte, in dem Amerika mit seinen uneingeschränkten Möglichkeiten des Dollar immer noch als Sieger hervorgeht. Aber deshalb Partei für eine europäische Variante desselben Imperialismus zu ergreifen, ist falsch. Was hat man denn von einer Szenerie, in der zwei Imperialisten ein Kräftemessen veranstalten, wo der Zweck darin besteht, die Reichtümer des Rests der Welt sich unter den Nagel zu reißen, also dem Konkurrenten vorzuenthalten, wo es darum geht, dass die Staaten der Welt ihre Reichtümer eben mehr im Euro verdienen sollen als im Dollar und bei dem Krieg als letzte Konsequenz inbegriffen ist?
Was ist nun von zu der innereuropäischen Konkurrenz zu sagen? Bezieht man dieses sehr prinzipielle imperialistische Gegeneinander auf die Konkurrenz in Europa, so fällt einem da der Widerspruch von der "bedingungslosen Solidarität" auf: Jeder dieser europäischen NATO-Staaten, Deutschland wie Großbritannien wie Frankreich, erklärt dasselbe: Wir sind aus nationalen Gründen bedingungslos für Amerika. Das ist zunächst eine Sache, die nicht geht. Entweder man ist ganz einfach für sich oder man ist für den Konkurrenzstaat. Diese Solidarität unterliegt also einer Berechnung, die jeder europäische Staat für sich selbst anstellt: sie pflegen untereinander ein Konkurrenzverhältnis, weil sie innerhalb Europas in einem Verhältnis stehen, das in seiner Hierarchie noch ungeklärt ist. Der deutsche Bundeskanzler Schröder ist stinksauer darüber, dass seine Militärmittel nicht so groß sind wie die, über die Blair verfügt. So ist es übrigens das "Peinliche" an Schröders Äußerungen von wegen, man muss das deutsche Volk darauf vorbereiten, wenn es mal hart auf hart kommt, denn er kann diese Äußerungen nicht mit einer solchen militärischen Wucht fundieren wie Großbritannien, oder Amerika selbst, was er sehr gerne würde! Die Europäer wollen also gar nicht aus der antiterroristischen Partnerschaft raus - wie die Frage unterstellt -, weil sie dieselben Zwecke verfolgen auf der Welt wie Amerika; was man dem Inhalt der Moserei übereinander entnehmen kann. Sie wollen dasselbe wie Amerika, aber natürlich nicht um den Preis der Aufgabe der eigenen Souveränität, sondern immer in Konkurrenz um die Frage, welcher europäische Nationalstaat hat was davon.
Die Behauptung ist also nicht gelogen, dass es eine transatlantische Partnerschaft gibt, denn es sind die Wächter des Kapitalismus und des Weltmarktgetriebes, die darin zusammenstehen, den weltweiten Sieg des Kapitalismus zu sichern; die aber in der Verteilung des Reichtums aber Konkurrenten sind. Und auch dieses Verhältnis äußert sich in den gegenwärtigen ungemütlichen Vorgängen.

Der Verschärfung der Inneren Sicherheit ist also die Rechtfertigung der Beteiligung an der äußeren Front?
Ist jetzt der Kampf gegen den Terrorismus nicht nur die Rechtfertigung für Maßnahmen, die eh schon längst geplant waren?
Im zweiten Punkt stimme ich Ihnen im Prinzip zu, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Das betrifft einen Teil der Maßnahmen, die jetzt in den neuen Sicherheitspaketen inbegriffen sind. Die lagen schon immer in den Schubladen der Innenminister, woraus ich einen Schluss ziehe: das gehört zur Profession von Innenministern in demokratisch-kapitalistischen Staaten, immer den Standpunkt der Ordnung, der gewaltsam nach innen durchgesetzten Ordnung, als oberstes Ziel zu haben. Aber nicht immer sind alle Maßnahmen, die sie vorschlagen, jeweils politisch opportun. Das war ihr Übergang. Ja, jetzt haben die Innenminister was doppeltes. Sie haben den politisch begründeten Beschluss, Innere Sicherheitspolitik zu radikalisieren. Der Grund ist die Terrorismusbekämpfung. Aber zugleich ist der Grund auch Anlass dafür, lauter Sachen aus der Schublade zu ziehen, und jetzt auf diese Art und Weise unwidersprochen durchgezogen werden.
Zum ersten Punkt: Da haben Sie mich missverstanden, oder ich hab mich falsch ausgedrückt. Ich hab nicht behauptet, die Sicherheitspolitik sei die Rechtfertigung für die Beteiligung an der äußeren Front gegen den Terrorismus. Es ist nicht eine ideologische Legitimationsabteilung. Nein, es ist wirklich eine harte Geschichte. Sie wollen wirklich nicht, dass in Deutschland terroristische Anschläge passieren, die dann zu einem Klima führen würden, in der Bevölkerung oder auch in der Parteienlandschaft, die es der deutschen Regierung schwieriger machen würde, unbefangen, frei die Soldaten und die Waffen aus der Bundeswehr in alle Welt zu verschicken. Sicherheit an der Heimatfront als wirklich materielle Voraussetzung für Freiheit an der äußeren Front. Und wenn da Bürger geschützt werden, geht es nie um den Schutz von uns, sondern um den Schutz staatlicher Ambitionen. Der Staat schützt sich ja selber. So habe ich das gemeint.

Ist der Terrorismus der neue Ersatzfeind für den Kommunismus?
In der Tat: Wenn Bush heute seinen Kalten Krieg mit seinen heißen Abteilungen ausruft, wie wir dies gerade erleben, dann sagt er: den ersten Feind für den Siegeszug des Kapitalismus weltweit, den Kommunismus, haben wir geknackt. Jetzt macht sich ein neuer Feind breit. Wir dachten schon, wir hätten freie Hand. Es ist kein Feind, der sich als Staat oder Staatenbund aufrüstet und gegen uns hinstellt, sondern der als nicht genau lokalisierbare terroristische Aktivität bedroht. So gesehen, haben Sie recht. Als sei mit dem Terrorismus eine neue dem Kommunismus gleich Bedrohung in die Welt gesetzt worden. Sie sind in der Sache was anderes, werden aber mit der Bezeichnung "Kalter Krieg" so behandelt, und es wird genau dasselbe und noch bißchen mehr von der Staatenwelt verlangt. Schließt euch zusammen gegen diesen neuen, in ihren Worten dem früheren Feind adäquaten Feind. Eine Differenz zum alten Kalten Krieg: Es gibt kaum noch einen Staat, von dem Amerika sagt, der hätte aufgrund seiner antiamerikanischen Staatsräson einen Grund sich der Anti-Terrorallianz zu verweigern. Deswegen richtet sich der Appell, dabei mitzumachen, auch an die ganze Welt. An Russland, an China, Indien, Pakistan usw. usf..
Nur aufpassen "Ersatz"-Feind stimmt nicht. Die brauchen nicht Feinde, das ist alberne Psychologie. Die schaffen sich mit jedem ihrer weltweiten Siege neue Feinde - leider nur welche, die ziemlich kongenial gestrickt sind.

Ich hab ein Problem mit der Wortwahl: Warum sagen Sie "Amerikaner", wo Sie doch nur die USA meinen?
Zwei Sätze dazu. Der erste Satz: Übersetzen Sie bitte jedes Mal, wenn mir "Amerika" rausrutscht, das Wort in "USA". Zweitens: Wenn Sie das nicht längst selbst gemacht hätten, hätten Sie mir die Frage gar nicht stellen können, denn Sie wissen, dass ich immer die USA gemeint habe.

Vielleicht fühlt sich aber ein Lateinamerikaner damit beleidigt.
Als ob deren Identität in der Bezeichnung liegt und nicht in dem, was die USA und ihre mittel- und südamerikanischen Handlangerstaaten mit ihnen anstellen. Wer durch das Wort beleidigt ist, hat schon eine mittel- bzw. südamerikanische Identität angenommen, es selbst zu einem Nationalismus und Patriotismus gebracht. Sonst könnte man über so etwas nicht beledigt sein.

Kann man schon.
Aufpassen, wie das geht. Ich hab erst gestern dieselbe Debatte an der Uni gehabt. Da ist ein Kommilitone aus Mexiko aufgestanden und hat genau das gesagt. "Ich bin auch Amerikaner, aber ich bin Kritiker der USA." Und ich sage: "Was, du bist Amerikaner? Das ist deine Identität?" Und der sagt: "Ja." Dann haben wir über nationale Identität geredet. Ob er das wirklich ist, was sein Staat mit ihm anstellt?

Ihr Vortrag gibt viele Denkanstösse, aber würden Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, Sie beziehen lediglich Ihren eigenen subjektiven Standpunkt in Ihrer Beurteilung des amerikanischen Seelenlebens und sind nicht objektiv?
Dass ich meinen eigenen Standpunkt hier vortrage, ja, das ist doch ganz klar! Ich hab mich bemüht, alle Argumente, aus denen sich mein Standpunkt zusammensetzt, zu begründen. Ich hab nicht gesagt: Mein Standpunkt ist.... und dann kommt eine Behauptung. Denn sonst wäre ich in 5 Minuten fertig gewesen. Ich rede deshalb so lange, weil ich größten Wert darauf lege, dass das, was daran subjektiv ist - meine Gedanken eben -, eben nicht in der unverbindlichen Subjektivität des bloßen Meinens verbleibt, sondern immer begründet ist. Wir sollten unsere Diskussion jetzt also auf einer ganz anderen Ebene fortsetzen. Sie müssten sagen: Diese Argumente und jene waren einfach nicht begründet, die waren nur behauptet, und solange sie nicht begründet sind, oder mir die Begründung nicht einleuchtet, nehme ich ihnen das nicht ab, das ist dann bloß ihr subjektiver Standpunkt. So müssten wir jetzt eigentlich weitermachen.

Erstens eine Frage zur Parallelität zwischen Terrorismus und Kommunismus, zweitens eine warnende Prognose voranschreitender Beschränkung der Rechte angesichts der inneren Sicherheitslage.
Erster Punkt: Es gibt eine Parallelität im Feindbild Terrorismus zum Feindbild Kommunismus. Das weiß jeder. Die Übersetzung in die Märchensprache, auch beherrscht von den Führern der westlichen Welt, hat in dem Fall nicht das Bild vom Wolf, sondern vom russischen Bären, der auch nicht als Honigschlecker vorgestellt wurde, sondern als Inbegriff unkalkulierbarer Gewalt, die alles an sich reißen will. In Sachen Feindbild werden dieselben Muster wieder ausgepackt. Das liegt freilich allein an der Logik des Feindbildes selbst. Das Feindbild argumentiert moralisch. Säkular mit Werten: gut/ böse, zivilisiert/ barbarisch, oder nicht säkular, dann kommt immer gleich der Mensch als höheres Wesen oder so.
Ansonsten ist die Feindschaftserklärung z. B. gegen die Sowjetunion eine etwas andere gewesen als die gegen den Terrorismus, was man weiß. Vgl. das Wettrüsten und so weiter. Wettrüsten mit dem Terrorismus geht nicht. Der Terrorismus ist das Zeichen dafür, dass das Wettrüsten ein für alle mal gewonnen worden ist für die USA/NATO. (Wie das mit China aussieht, ist eine andere Sache.)
Zweiter Punkt: Der wäre eigentlich das Thema eines eigenen Vortrags, und zwar weniger hinsichtlich der von mir erwarteten Prognose, wann Bürger staatskritisch werden, denen jetzt Rechte genommen werden. In einem solchen Vortrag interessiert weniger die Prognose, als die Unterstellung in dieser Prognose. Ihre Unterstellung heißt: Der erste Schritt zum Widerstand sei die Erkenntnis, dass einem jetzt was genommen wird, was man sich nicht nehmen lassen darf: Rechte. Da bin ich ganz anderer Meinung. Das wäre wie gesagt ein eigenes Thema. Ich will das deshalb nur kurz andeuten: Alle Rechte, die Bürger hierzulande "genießen", umfassen solche Selbstverständlichkeiten wie seine Meinung zu sagen, die Unversehrtheit der Person usw. Da frag ich mich, wieso müssen alle diese Selbstverständlichkeiten immer von einer Staatsgewalt als Rechte gewährt werden? Warum muss jemandem eine Staatsgewalt erlauben, "du darfst", was doch für jeden Menschen selbstverständlich sein müsste, z.B. zu leben und seine Meinung zu sagen! Und das macht mich skeptisch. Wenn der Staat sagt: "Du darfst", dann zieh ich einen Schluss, dass der wohl mit der Erlaubnis etwas will. Wenn er mir was erlaubt, dann will er nicht mir was Gutes tun, sondern durch meine Praktizierung von Erlaubtem will er was für sich erreichen. Was? Ich will das Beispiel zu Ende führen: Die berühmte Meinungsfreiheit sollte man sich mal angewöhnen anders herum zu lesen. Es handelt sich um das Gebot, es beim Meinen, es beim Insistieren auf der puren unverbindlichen Subjektivität des eigenen Gedankens zu belassen, und bloß nicht auf die Idee zu kommen: Meine Meinung ist mir so wichtig, dass ich daraus wirklich eine praktische Aktion mache. Da hat man dann schnell die Grenze der Meinungsfreiheit, die der Staat festlegt, erreicht. Also bei den Rechten aufpassen. Ob die immer so toll sind? Aber das wäre ein eigener abendfüllender Vortrag.

TEIL B:
Wenns erst mal nichts weiter gibt, dann noch kurz zur Kritik der Kritiker. Ich beziehe mich auf zwei Befunde, von denen ich meine, dass sie bei der Kritik der neuen Friedensbewegung, der Kritik von Globalisierungsgegnern, die vorherrschende Argumentationen zu dem terroristischen Anschlag und zur Reaktion des amerikanischen Imperialismus darstellen.
Der erste Befund betrifft ein Urteil über die amerikanische Politik, vor allem die Außenpolitik. Es lautet in Kurzfassung: Der Anschlag ist kein Wunder bei der Art wie Amerika auf der Welt herumfuhrwerkt, Elend, Opfer, Armut und Unterdrückung produziert. Da musste so etwas mal passieren. Nach dem Muster "Wer Wind sät, wird Sturm ernten". Das ist das erste falsche theoretische Urteil.
Das zweite bezieht sich nicht auf die Außenpolitik Amerikas, sondern auf die Reaktion Amerikas auf die Anschläge, und da vor allem aber auf die eingesetzten Mittel. Das ist das Lieblingsbetätigungsfeld der neuen Friedensbewegung und von Attac. Die Logik geht so: Ja, der Terrorismus muss bekämpft werden, aber bitte nicht so. Nicht mit Gewalt, sondern mit Politik. Dafür stehen Parolen folgender Art: "Hirn statt Gewalt". Das ganze wird auch noch umgesetzt in einen konstruktiven Vorschlag von Attac, Bin Laden soll vor einen internationalen Gerichtshof gestellt werden, damit das Recht, das da verletzt ist, wieder hergestellt wird.

I.
Zu dem ersten Punkt: "So was kommt von so was!" - was ja die Kurzfassung des Urteils ist, dass die USA, die seit mehr als 50 Jahren Not, Elend und Tod auf der Welt produzieren, nun selbst Opfer geworden sind. Es handelt sich um eine Betrachtungsweise, die sich erst mal darauf beschränkt, Opfer wechselseitig aufzurechnen. Hier Opfer der amerikanischen Politik, dort Opfer in Amerika. Da wird so etwas wie eine Opferausgleichswaage angelegt. Der Befund der angelegten Waage lautet: Mit dem Anschlag ist die Welt wieder etwas gerechter geworden, weil jetzt auch auf der Seite der Amerikaner Opfer angefallen sind. Die Opferbilanz der Welt ist jetzt ein wenig ausgeglichener. Das ist eine Tour, in der Opfer moralisch gegeneinander aufgerechnet werden. Die Konsequenz der wechselseitigen moralischen Aufrechnung der Opfer ist fatal. Der Ausgangspunkt heißt, wer Opfer geworden ist, der darf selbst Opfer produzieren. Wer Opfer ist, das ist die implizite Gerechtigkeitsideologie, der darf Täter zu Opfer machen.
Doch was heißt denn das jetzt umgekehrt, wo in Amerika Opfer anfallen? Wer so argumentiert, muss sich die Umkehrung der Logik gefallen lassen. Die lautet: Dann muss es bitteschön auch Amerika erlaubt sein, das jetzt selber zum Opfer geworden ist, seinerseits erneut die Opferausgleichswaage anzulegen und erneut die Täter zu Opfer zu machen. Wer also über diese Gerechtigkeitsschiene argumentiert, der legitimiert eine sich immer wieder umkehrende Täter-Opfer-Kette.
Von einer Erklärung keine Spur. Was da eigentlich Sache ist, ob das Elend, das Amerika ohne Zweifel produziert, etwas mit dem Anschlag zu tun hat, davon nimmt dieser Standpunkt keine Notiz. Dabei kann man sich übrigens durchaus einmal ernsthaft die Frage stellen, ob die Unterstellung stimmt, es waren Opfer Amerikas, die hier zurückgeschlagen haben, es war die ausgeplünderte Dritte Welt, die da zurückgeschlagen hat, stellvertretend durch die Al Quaida und Bin Laden. Wenn man sich die Täter anschaut, dann muß man jedoch feststellen, dass es gar nicht die Opfer der weltweiten Ausbeutung, also die Opfer von Kapitalismus und Weltmarkt waren, die zurückgeschlagen haben und zwar deshalb. Zurückgeschlagen hat eine Abteilung des islamischen Fundamentalismus, der mit dem Elend in der Welt sowieso nichts am Hut hat. Wenn man sich islamische Regierungen anschaut, wenn man sich die Taliban-Regierung anschaut, dann kann man eins mit tödlicher Sicherheit feststellen: In deren Programm kommt nicht vor, das Elend der Menschen zu beseitigen. Im Gegenteil: Nicht nur richten sie ständig weiteres Elend in diesen Ländern an - Beispiele sind in der Zeitung nachzulesen -, sondern sie haben systematisch alle Bewegungen in ihren Staaten, die was für die materielle Besserstellung von Menschen tun bzw. tun wollten, liquidiert. Der Inhalt der Feindschaft gegen die USA basiert auf einem religiös begründeten imperialistischen Alternativprogramm, das einen Gottesstaat errichten und mit dem Fundamentalismus der Religion, indem Fall des Islam, ernst machen will. Notbeseitigung wäre das letzte, das diesen Regimes einfallen würde. Soweit zum ersten Urteil.

Kann es denn nicht trotzdem so sein, dass der Islamismus deshalb so erfolgreich ist, weil (!) er eine Art Elendsverwaltung darstellt?
Nein, das kann nicht sein. Das "weil" kann nicht stimmen. Denn aus Elend folgt nie im Leben, dass man noch größeres Elend über sich ergehen lässt oder gar anrichtet. Aus Elend folgt, wenn man es mal als Befund über die eigene Lage ernst nimmt, die Abschaffung des Elends. Und dafür ist die Erkundigung nach den Gründen des Elends der erste Schritt. Damit haben die islamischen Fundamentalisten nichts im Sinn - ebensowenig übrigens wie kapitalistischen Fundamentalisten.

Was ist mit den Diktaturen außer des Taliban-Regimes, die von den USA unterstützt werden, also nicht bekämpft werden. Wie erklärt sich das?
Wenn diese Diktaturen einen Beitrag zur amerikanischen Weltordnung liefern, gelten diese Diktaturen, das ist ja kein Geheimnis, als Regime, die immer "auf dem Weg zur Demokratie" sind. Das ist nicht eine Frage des tatsächlichen innenpolitischen Verhältnisses von Volk und Führung, sondern eine Frage der imperialistischen Nutzenkalkulation der USA. Und sonst nichts. Und das letzte, was Amerika interessiert, wenn es die Räson eines Staates auf der Welt betrachtet, ist, ob die Leute Hunger haben oder nicht. Ob der Staat, so wie er beieinander ist, in das außenpolitische Konzept der USA, passt, das interessiert - sonst nichts. Der Hunger kommt allenfalls mal so rein, dass zuviel Hunger vielleicht eine schlechte Bedingung dafür ist, das Volk bei der Stange zu halten. Aber selbst das sind Maßstäbe, die gegenwärtig nur in ganz wenigen Staaten der Welt zur Anwendung kommen.

II.
Das war also die erste Abteilung der friedensbewegten Kritik. Die zweite Abteilung kritisiert die "Gegengewalt" der USA. Die zweite Abteilung trägt sich als pazifistischer Standpunkt vor. Und das Schicksal des pazifistischen Standpunkts besteht immer darin, dass er nach einigen Zwischenschritten beim Bellizismus endet. Das hat man ja an den Grünen studieren können.
Also: Gegengewalt ist die falsche Antwort, so lautet die Kritik der zweiten Abteilung. Das heisst erstens, diejenigen die so argumentieren, haben sich entschieden: sie sind von vornherein parteilich für Amerika, parteilich gegen den Terrorismus. Das ist der Ausgangspunkt ihrer Kritik: Sie bekräftigen das allgemeine Urteil, dass der Terrorismus eine Antwort verdient hat. Machen dabei aber eine Einschränkung: sie lehnen Gegengewalt ab.
Was unterstellen damit zum zweiten, dass die Getroffenen, die USA das Subjekt sind, das die Antwort auf den Terrorismus erteilen soll. Aber - und das ist dann das Zentrum der Kritik - die Antwort, die die getroffenen Subjekte erteilen sollen, hat gewaltlos zu sein. Eine politische Antwort ohne Gewalt wird gefordert -und dies, obwohl den Getroffenen zugestanden wird, dass die Gewalt Gegengewalt ist. Womit ja auch noch mal ausgedrückt worden ist, dass sie der Gewalt selbst schon eine gewisse Berechtigung zusprechen. Es ist ja Gegengewalt. Aber dennoch sagen sie, Gewalt wollen wir nicht. Und zwar wegen der Gewaltspirale.
Die Kritik kommt also daher wie eine konstruktive Warnung an die politischen Macher der Welt, wie eine Einmischung in die Frage der Methoden der Terrorbekämpfung - gerichtet an die Adresse der imperialistischen Mächte. Die Kritiker, die so daherreden, haben kein Problem damit, sich in die Lage von Regierungschefs und Verteidigungsminister zu versetzen. Das heisst, wir haben es wieder einmal mit einer Sorte von Kritik zu tun, die - wie oben aufgezeigt - einen hohen Grad an Wirklichkeitsverlust aufweist, eine idealistische Betrachtung darstellt. Dieses Urteil traut den Führern der Weltmächte glatt das Gegenteil vom zu, was sie jetzt machen und offenkundig machen wollen. Das ist schon ein bisschen komisch: Da überziehen die USA und Co. Afghanistan mit einem Krieg und bedrohen damit zugleich alle anderen Staaten der Region, konfrontieren sie mit einer neuen Qualität von Bedrohung, die exemplarisch vorgemacht wird, und an der kein Zweifel besteht, dass sie auch umgesetzt wird, und da haben die Friedensbewegung oder Attac nichts besseres zu tun, als warnend den Zeigefinger zu heben und den Mächten, das Mittel ihrer vorzuhalten, dass sie als das für sie in der Lage wirksamste gefunden haben: "Gewalt gegen Gewalt, das bringt doch nur mehr Unfrieden in die Welt."
Wie kommen diese neuen Friedensbewegten eigentlich auf Idee, dass die USA und Co. eigentlich etwas ganz anderes vorhätten, als das, was sie machen. Die Behauptung in diesem fiktiven Dialog heisst: Die hätten eigentlich nur Frieden und Hilfe im Sinn, machen würden sie aber was anderes. Das ist die Verwandlung all dessen was die USA und die EU anstellen, in eine Abweichung von dem, was ihnen als ihr eigentlichen Zweck unterstellt wird. Da wird gesagt: Merkt ihr denn nicht, dass Gewalt nur mehr Hunger und Not bringt? Wo bleibt denn da die Zivilisation, wo bleibt denn da der Humanismus, wo bleiben denn da die Menschenrechte?
Diese idealistische Sichtweise fällt auf alle Propagandalügen von Feind- und Freundbildern herein. Sie nimmt die moralische Selbstdarstellung für die Wahrheit über die Politik. So kommen Kritiker auf die Idee, den Imperialisten einfach nie das als willentlich beschlossene Politik abzunehmen, was sie machen. Also das ist Selbstbetrug, das ist Reinfallen auf die Abteilungen von Volksverdummung.

Jetzt ist hochinteressant, wie die Politiker auf diese Vorhaltungen, sie würden nur die Gewaltspirale neu ankurbeln, reagieren. Wie gehen die damit um? Also erstens muss man sagen, dass die Politiker hierzulande von diesem Dialog ziemlich angetan sind. Den können die Fischer und Schröder aufnehmen, weil er am verlogenen Ende ihrer Politik anfängt und es für bare Münze nimmt. Und wie antworten die Politiker? Sie weisen zweitens die Kritik zurück: Sie sagen, natürlich verfolgen wir mit unserem Krieg humanitäre Ziele - wie auch schon im Kosovo-Krieg. Aber wie sollen wir denn - so ungefähr Fischer - ohne gezielte Militärschläge den Weg für Hilfeleistungen nach Afghanistan freimachen? Damit sind beim Bellizismus gelandet: Krieg als Mittel für Humanismus und Frieden. Das ist die Antwort der Politik und genau diese Antwort haben Friedensbewegte und Attac verdient. Dort steht dann endgültig alles auf dem Kopf:Krieg wird doch glatt als Mittel für sein Gegenteil verkauft. Dass sich Friedensbewegte auf diesen Punkt einlassen, ist schon ein kleines geistiges Verbrechen.
Den beiden Abteilungen der Kritik, die ich jetzt kurz angesprochen habe, ist überdies eines gemeinsam: Immer wenden sie sich allein kritisch an die Adresse Amerikas. Deutschland, immerhin der Bündnispartner Amerikas in der Antiterror-Allianz, wird entweder ganz rausgelassen oder es wird Deutschland nur vorgeworfen wird, seine mäßigende Rolle gegenüber Amerika nicht genügend wahrzunehmen. Der Heimat die gewollte Beteiligung an all den Schweinereien vorzuhalten, das kommt für diese kritischen Deutschen irgendwie nicht in Frage.
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