Außer Kontrolle geratene Feindbildpflege bestätigt
Feindschaftserklärung an Mullah-Regime
1.
„Hysterischer losgelassener Mob, wegen ein paar Karikaturen aus Dänemark?“,
fragt nicht nur der bekannte Karikaturist R.König in der FAZ (7.2.06, S.33). Er
täuscht sich nicht nur, unterstreicht dabei nicht nur die perfide Botschaft der
Karikaturen, sondern verdreht obendrein den Protest von Muslimen gegen
die Karikaturen zum Beweggrund für härteres Durchgreifen des Westens,
der gegen den Islamismus „ohne Wenn und Aber … seine demokratischen Werte
verteidigen“ muss; wo sich doch ganz umgekehrt die Karikaturen einer Feindbildpflege
befleißigen, der die Feindschaftserklärung des Westens an Schurkenstaat
vorausgesetzt ist, welche längst schon ihre Kriegsopfer gekostet hat.
2.
Von wegen „ein paar Karikaturen“. Die
haben es in sich. Sie stehen für die freie Meinung nicht nur einiger Dänen,
dass Muslime eigentlich Untermenschen sind: dumm, verbrecherisch,
rückschrittlich und brutal – immer die Bombe im Turban. Diese Botschaft wird an
ihrem Glauben festgemacht, dem – wie der fanatische Antifaschist R.Giordano bei
Christiansen vermeldete – ein irreversibler „Modernisierungsrückstand“ im
Vergleich zum freien Westen innewohnt. Es greifen die Karikaturen folglich die Religion
an, aber als staatsdefinierendes Wertesystem und unterstreichen,
was viele Zeitgenossen im Westen schon seit geraumer Zeit, spätestens seit
nine-eleven wissen, dass nämlich die Mullah-Regime einen Angriff auf die
westliche Zivilisation darstellen, dem man hier im Inland mit Abschiebungen
bzw. unerbittlichen Integrationsauflagen („Leitfaden“) und im Nahen Osten mit
der Fortsetzung der militärischen Beseitigung von Schurkenstaaten
begegnen muss. Und über die ins Bild gesetzte freie Feindbildpflege darf sich
der Bürger auch noch einmal merken, wie die Selbstmordattentäter und -innen
aussehen.
3.
In der Tat liegen diejenigen nicht ganz falsch, die darin einen modernen
Antisemitismus sehen. Eine Feindschaftserklärung wird mit einem
rassistischem Feindbild vorgestellt und will damit unwidersprechlich sein. Das
geht in diesem Fall so: Da haben die USA feststellen müssen, dass es im Nahen
Osten Staaten gibt, die nicht so ohne weiteres bereit sind, sich die
Inhalte ihrer Politik von den USA diktieren zu lassen. Das hat ihnen die
schönste Feindschaft der Weltmacht Nr.1 eingetragen, die deswegen auch
kein Verständnis dafür zeigte, dass ihre Politik des Boykotts, der Erpressung,
der Isolierung nicht nur nicht die erwünschten Früchte, sondern sogar einen mit
Terroranschlägen unterfütterten Antiamerikanismus hervorbrachte. Die
Beseitigung der widerspenstigen Regime per Krieg war damit für die USA und ihre
Verbündeten ausgemachte Sache, deren Notwendigkeit den Völkern des freien
Westens über die Gleichsetzung von moralischer Verurteilung („böser Saddam“)
mit der dort vor allem praktizierten staatstragenden Religion, dem
Islam, nahe gebracht wurde. Die unzivilisierte Religion war so der Quell des Bösen,
obwohl im Koran wirklich nichts übers Ölgeschäft oder über Urananreicherung,
über Mittelstreckenraketen oder eine UNO bzw. WTO steht. Die Intransigenz, mit
der zunächst das afghanische Talibanregime und dann das des Saddam Hussein die
schon ziemlich kriegerisch daherkommenden westlichen Einladungen zur
Kapitulation ein ums andere Mal ausschlugen, bescherte den
Feindbildkonstrukteuren das Material für das noch fehlende Prädikat, dass
nämlich diese Islamis, in erster Linie ihre religiösen und politischen Führer,
nicht einsichtsfähig, mithin von Natur aus böse sind. Da sich überdies
hierzulande die Muslime in üblen „Parallelgesellschaften“ zusammenrotten – die
Verurteilung erfolgt nach der Sudellogik: die wollen unter sich bleiben,
grenzen sich also von uns ab, sind also desintegrationsunwillig,
lehnen also unsere Leitkultur ab, wollen sie also bekämpfen
(s.Frankreich), sind folglich auf dem Weg zum Terrorismus - , in denen man
sehen kann, wie die sich kleiden, wie die sprechen, wie die miteinander
umgehen, kurz woran man sie erkennt, ist der rassistische Fahndungsstandpunkt
des Feindbildes fix und fertig. Und der liegt auch diesen Karikaturen
zugrunde.
4.
Nun haben sich Menschen islamischen Glaubens - fast wie bestellt - die
„Verletzung ihrer religiösen Gefühle“, wie das hier heißt, nicht
gefallen lassen. Der freie und tolerante Westen kann es zwar „verstehen“, dass
solche Karikaturen „religiöse Gefühle“ verletzen – immerhin kennt man so etwas
hierzulande sogar als Straftatbestand. Das Verständnis hört aber auf, wenn die
Muslime nicht in ihren Moscheen für die Sünder gegen Allah Gnade erflehen,
sondern in islamischen Staaten auf die Straße gehen und (nun auch) europäische
Botschaften und Einrichtungen ein bisschen demolieren. Ein solcher Protest ist
eindeutig unzulässig. Zulässig wäre es allenfalls gewesen, dänische
Zeitungsredakteure zu verklagen, auf dass die Hüter des westlichen Wertesystems
darüber befinden, ob sich Meinungsfreiheit und Toleranz ausschließen oder
vielleicht doch nicht. (Mal sehen, wie der tolerante Westen auf den
Holocaust-Karikaturwettbewerb des Iran reagiert!) Das haben die „aufgebrachten
hysterischen Massen“, hat „der Mob“
unterlassen, woran man erneut ihren atavistischen „Modernisierungsrückstand“
ablesen kann. Folglich muss von berufener Seite die Frage geradezu
aufgemacht werden, wie es das geben kann, dass Teile der Völker der
nahöstlichen Staaten so reagieren und westliche Souveränität - Botschaften eben
– verletzen. Öffentlichkeit und Politik sind sich hierzulande völlig einig,
dass so etwas nur bei Staatsführern vorkommen kann, die ihr Staatsvolk nicht im
Griff haben; wobei der in keinem Kommentar fehlende Hinweis auf die
„inszenierten Proteste“ – als ob sie als spontane beklatscht worden wären –
schon den Übergang enthält, dass wohl weniger staatliche Unfähigkeit als
vielmehr staatliche Unwilligkeit vorliegen muss. (Beleg: In Diktaturen
gibt es nur gewünschte Demonstrationen, da alle anderen von der Polizei im
Vorfeld weggeräumt werden.) Womit man über die den politischen Beschlüssen von
USA und EU gemäße Deutung der Proteste wieder einmal beim Eigentlichen
angelangt wäre: Der ganze Nahe Osten, d.h. eine Vielzahl islamischer Staaten
stellt noch einen Hort der Unfreiheit und der rückständigen Menschenverachtung
dar, in dem dringend großflächig aufgeräumt werden muss. So lässt sich der mit
den Volksprotesten im Nahen Osten etwas außer Kontrolle geratenen
Feindbildpflege – in erster Linie taugt die nur dazu, das eigene Volk auf die
neuste imperialistische Schweinerei der Führung einzuschwören – nicht nur
nachträglich die Berechtigung der Karikaturen entnehmen, sondern zugleich
weiteres Material zur Erneuerung und Verschärfung der Feindschaftserklärung
an den Iran, an Syrien usw.
5.Wieder
einmal haben die Führer des freien Westens, die sich gerade auf der Münchner
Sicherheitskonferenz zum offiziellen Schulterschluss in Sachen
Iran-Kriegsdrohung zusammengefunden haben - vorbei sind die pazifistischen Irritationen
der Weltpolitik durch das „alte Europa“ –, also so was von recht gehabt! Da
stellt sich einfach nicht mehr die Frage, was da anlässlich der
Karikaturen und sehr zufällig in Dänemark losgetreten worden ist. Und schon gar
nicht stellt sich die Frage, ob man solche Aufstände eigentlich wollte bzw.
will. Sie passen: Es erfährt einfach jeder, dass es sich bei dem „inszenierten“
Brennen, Demolieren und Morden der Islamis nicht um einen Kultur-Kampf
handelt. Der ist, wie man sieht, längst entschieden zugunsten unserer freien
überlegenen, einzig menschengemäßen Fortschrittskultur mit ihrem Privateigentum
und ihrer good democratic governance. Nur muss das den Führern der islamischen
Staaten noch begreiflich gemacht werden; wenn’s denn nicht anders geht per Krieg;
notfalls sogar mit präventiven Atomschlägen, die – nach Chirac und Bush – auch
R.Giordano quasi im Namen des Staates Israel der arabischen Welt am
Sonntagabend im deutschen Fernsehen gegen 22:15h unwidersprochen für den Fall
androhte, dass die sich unterstehen würde, sich so atomar aufzustellen wie die
USA dies ihrem Vasallen im Nahen Osten „gestattet“ haben. So geht in
Deutschland erneut Kriegseinstimmung im Namen eines längst außenpolitisch
instrumentalisierten Antifaschismus seinen Weg.